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Der 65. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953

17.06.2018 - Artikel

Anlässlich des 65. Jahrestags des Volksaufstandes in der DDR, der am 17. Juni 1953 stattfand, hat Botschafter Lüdeking einen Namensartikel geschrieben, in dem er die Erinnerung an die Ereignisse und die geschichtliche Bedeutung dieses Datums für die Geschichte Europas unterstreicht.

Aufstand des 17. Juni
Aufstand des 17. Juni© Keystone

Am 17. Juni gedenken wir des Volksaufstandes vor 65 Jahren in der DDR. Heute scheint bedauerlicherweise nur noch wenigen die historische Bedeutung der Ereignisse, an die dieser Tag erinnert, bewusst zu sein. Das Datum  17. Juni 1953 markiert eine Massenerhebung gegen die herrschenden Verhältnisse in der DDR,  den mutigen Einsatz von Bürgern aus allen Schichten für Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit, die Werte, die den Kern der europäischen Identität ausmachen. Es ist ein Schlüsseldatum nicht nur für die deutsche, sondern auch für die europäische Geschichte.

Angesichts der Herausforderungen, denen sich Europa heute zu stellen hat, ist es wichtiger denn je, die Erinnerung an den 17. Juni wachzuhalten. Aus dem Gedenken erwächst Verpflichtung für heute. Der 17. Juni schärft unser Bewusstsein für die Bedeutung von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. 1953 waren ebenso wie 1956 in Ungarn, 1968 in der Tschechoslowakei, 1980 in Polen und wiederum 1989 in der DDR Menschen bereit, entschlossen sich für diese Werte einzusetzen, dafür Nachteile und hohe Strafen in Kauf zu nehmen und gar ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Diesen Menschen gebührt unsere Anerkennung und Respekt.

Das Ende des Ost-West-Gegensatzes und der Teilung Europas bedeuteten nicht das Ende der Geschichte. Ernüchtert müssen wir vielmehr feststellen, dass die Werte, deren Bedeutung uns der Volksaufstand von 1953 besonders vor Augen geführt hat, heute selbst innerhalb der Europäischen Union nicht mehr als selbstverständlich gegeben  vorausgesetzt werden können. Sie werden vielmehr zunehmend und mit überraschendem Selbstbewusstsein in Frage gestellt. Passivität und Selbstzufriedenheit sind daher keine Optionen mehr. Vielmehr sind wir – jeder einzelne von uns -  gefordert, uns entschieden und mit Zivilcourage für Freiheit, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte einzusetzen. Die Aufständischen des 17. Juni sind für uns dabei ebenso Vorbild wie die vielen Menschen, die in diesen Tagen in Moskau, Ankara, Warschau, Budapest und andernorts für ihre Rechte demonstrieren.

Aufstand des 17. Juni
Aufstand des 17. Juni© Keystone

Der 17. Juni 1953 ist Mahnung zur Wahrung von Solidarität und der Gemeinsamkeit der Demokraten. Dies ist gerade heute, in einer Zeit wichtig, in der wir in Europa eine Fragmentierung der politischen Landschaft erleben, wo zentrale europäische Errungenschaften und Werte von egoistischer Verantwortungslosigkeit, von Populismus, politischer Polarisierung und engstirnigem Klientelismus bedroht werden. Das europäische Projekt und damit auch die freiheitlich-demokratischen Werte, für die es steht, haben mit einem einfachen „weiter so“ keine Zukunft. Ein neuer Aufbruch für Europa braucht ein Zusammenstehen der Demokraten und mutige Schritte zur Stärkung des Zusammenhaltes unserer Gesellschaften und der Europäischen Union. Dies sind wir auch den vielen Opfern des 17. Juni schuldig.

Der Volksaufstand in der DDR ist Teil des europäischen Kampfes für Freiheit und Demokratie und somit Teil der Tradition und des Selbstverständnisses, denen sich Deutschland, Belgien und die Europäische Union in besonderer Weise verpflichtet fühlen. Das Gedenken an dieses für Europa nach dem 2. Weltkrieg  wegweisende Ereignis sollte uns Ansporn sein, mit Mut und Zuversicht die aktuellen Herausforderungen anzunehmen und unsere Zukunft aktiv im Geiste der von den Aufständischen des 17. Juni verfolgten Ziele zu gestalten.

Rüdiger Lüdeking, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Königreich Belgien

Erschienen am 15.06.18 in Le Soir online

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