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Rechtsberatung und -verfolgung in Belgien

Artikel

Die nachstehenden Ausführungen betreffen offene, noch nicht titulierte Forderungen deutscher Gläubiger, bei denen der Schuldner seinen Wohnsitz in Belgien hat. Die Ausführungen sollen einen Überblick über die Möglichkeiten der Rechtsberatung und -verfolgung in Belgien bieten. Diese Informationen können eine Rechtsberatung nicht ersetzen.

A. Allgemeine Informationen

Die Deutsche Botschaft in Brüssel kann bei der Geltendmachung von Forderungen nicht, auch nicht in Einzelfällen, tätig werden. Der Botschaft stehen keinerlei Zwangs- mittel zur Verfügung. Deutsche Auslandsvertretungen können nicht anwaltlich tätig werden.

1. Vertretung durch einen Rechtsanwalt

Bezüglich einer anwaltlichen Vertretung und einer eingehenderen Rechtsberatung verweist die Botschaft auf ihre unverbindliche Liste von deutschsprachigen Rechtsanwälten in Belgien.

Weitere Informationen, auch über die Kosten eines Rechtsbeistandes, erhalten Sie:

Weitere Informationen zu Rechtsanwaltskosten finden Sie weiter unten auf dieser Seite.

2. Aufenthaltsermittlung

Sofern der genaue Aufenthaltsort des Schuldners in Belgien unbekannt ist, kann die Einholung einer Melderegisterauskunft erforderlich sein. In Belgien besteht ein zentrales Melderegister für natürliche Personen (Nationalregister / Registre National / Rijksregister). Der Zugriff auf die dort gespeicherten Daten ist jedoch beschränkt und nur für öffentlich-rechtliche Institutionen bzw. von diesen beauftragte möglich. Die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Schuldners in Belgien kann daher nur mit Hilfe eines Rechtsanwaltes über die jeweilige Anwaltskammer erfolgen. Weitere Informationen über die Einholung von Melderegisterauskünften erhalten Sie auf der Internetseite der Generaldirektion Institutionen und Bevölkerung . Überdies gibt es die Möglichkeit, gewerbliche Anbieter mit der Adressermittlung zu beauftragen.

3. Einschaltung eines Inkassobüros

Die Einziehung von Forderungen im Ausland ist durch in Deutschland ansässige gewerbliche Inkassobüros mit Auslandsstellen oder ein belgisches Inkassobüro möglich. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. sowie der Vereinigung der belgischen Inkassounternehmen (Association Belge des societés de Recouvrement de créances / Belgische Vereniging van Incasso-Ondernemingen).

4. Unterstützung durch die Debelux-Handelskammer

Die Geltendmachung von Forderungen zwischen deutschen und ausländischen Unter- nehmen wird nicht von deutschen Auslandsvertretungen, sondern von Außenhandelskammern bearbeitet.

In Belgien ist dies die

Deutsch-Belgisch-Luxemburgische Handelskammer (Debelux)

Avenue du Boulevard / Bolwerklaan 21 1210 Brüssel / Belgien

Tel.: 0032 (0)2 - 203 50 40

Fax: 0032 (0)2 - 203 22 71

e-mail: ahk@debelux.org

www.debelux.org

B. Außergerichtliche Geltendmachung von Forderungen

In der Regel wird es ratsam sein, schon bei einer außergerichtlichen Einziehung von Forderungen einen (belgischen) Rechtsanwalt einzuschalten. Der Rechtsanwalt setzt den Schuldner in der Regel durch eine letzte Mahnung in Verzug und leitet das gerichtliche Verfahren ein bzw. kümmert sich um sonstige gegebenenfalls notwendig werdende Schritte (wie z.B. einstweilige Maßnahmen, siehe dazu unten).

Sollte der belgische Schuldner auch nach Abmahnung der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen, bleibt nur der Rechtsweg zu den belgischen Gerichten.

c. Gerichtliche Geltendmachung von Forderungen

Das gerichtliche Verfahren zur Geltendmachung von Forderungen in Belgien richtet sich nach dem Code Judiciaire (CJ / Gerechtelijk Wetboek / Belgische Prozessordnung).

Für die Rechtsverfolgung besteht in Belgien in der Regel ein Anwaltszwang. Ob im konkreten Fall die Einschaltung eines Anwaltes zwingend ist, richtet sich nach der Art der Klageerhebung. Bei Klageerhebung durch Ladung, freiwilliges Erscheinen oder kontradiktorische Klageschrift ist die Einschaltung eines Anwaltes zulässig, aber nicht vom Code Judiciaire vorgeschrieben. Im Falle der Klageerhebung mit einseitiger Klage besteht hingegen Anwaltszwang, Art 1027 CJ. Spätestens zur Geltendmachung von Forderungen vor einem belgischen Gericht und anschließenden zwangsweisen Durchsetzung muss daher gegebenenfalls ein belgischer Rechtsanwalt eingeschaltet werden.

Um eine bestmögliche Interessenvertretung vor Gericht zu erreichen, empfiehlt sich aber in jedem Falle die Einschaltung eines belgischen Rechtsanwaltes (insbesondere für juristische Laien und in Bezug auf die erforderlichen Sprachkenntnisse). Bezüglich einer anwaltlichen Vertretung verweist die Botschaft auf ihre unverbindliche Liste von deutschsprachigen Rechtsanwälten in Belgien, welche auf unserer Internetseite bereitgestellt wird.

Prozesssprache in Belgien ist grundsätzlich Niederländisch oder Französisch. Eine Ausnahme besteht im Gerichtsbezirk Eupen. Hier ist grundsätzlich Deutsch die Verfahrenssprache.


1. Zuständigkeit des Gerichts

Die gerichtliche Geltendmachung einer Forderung muss vor dem jeweils zuständigen Gericht erfolgen.


1.1. Internationale Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit legt den Staat fest, in dem ein Gericht zuständig ist.

Ob ein belgisches Gericht in einer Streitsache international zuständig ist, richtet sich – soweit keine vertragliche Zuständigkeitsvereinbarung getroffen ist – bei Zivil- und Handelsrechtstreitigkeiten zwischen deutschen und belgischen Parteien nach den Vorschriften der EuGVO11. (Seit dem Inkrafttreten der EuGVO am 01.03.2002 ist das EuGVÜ2 grundsätzlich nicht mehr anzuwenden. Auch das Lugano-Übereinkommen3 ist nach Inkrafttreten der EuGVO nur noch in den Vertragsstaaten des Übereinkommens anzuwenden, die nicht Mitglieder der EU sind. Die EuGVO gilt mit Ausnahme von Dänemark4 in allen Mitgliedstaaten der EU und damit auch in Belgien unmittelbar.)

Nach Art. 2 Abs. 2 EuGVO ist bei Streitigkeiten mit Auslandsbezug grundsätzlich der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten begründet. Ein Gläubiger mit Wohnsitz in Deutschland hat entsprechend dieser Vorschrift eine Person, die ihren Wohnsitz in Belgien hat, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit, vor einem belgi- schen Gericht zu verklagen. Bei Gesellschaften und juristischen Personen ist ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung maßgeblich (Artikel 60 EuGVO).

Neben dem allgemeinen Gerichtsstand sind in der EuGVO besondere Zuständigkeiten (Art. 5-7 EuGVO) und besondere Zuständigkeiten für bestimmte Verfahrensgegenstände (Versicherungsstreitigkeiten, Verbrauchersachen, Arbeitsvertragssachen) geregelt. Danach kann gem. Art. 5 EuGVO eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Anspruch aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildet. In diesem Fall ist auch das Gericht des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Für den Verkauf beweglicher Sachen ist dies der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Für die Erbringung von Dienstleistungen ist es der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Ebenso kann am Ort der unerlaubten Handlung geklagt werden.

Daneben enthält die EuGVO ausschließliche Zuständigkeiten (zum Beispiel dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete oder Pacht, Klage über die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft, Art. 22 EuGVO). Die ausschließliche Zuständigkeit verdrängt den allgemeinen und besonderen Gerichtsstand. Sobald eine ausschließliche Zuständigkeit begründet ist, ist auch die grundsätzliche Möglichkeit einer Gerichtsstandvereinbarung i.S.d. Art. 23 EuGVO unzulässig (Art. 22 EuGVO).

1.2. Sachliche und örtliche Zuständigkeit

Ergeben die Vorschriften bezüglich der internationalen Zuständigkeit, dass ein belgisches Gericht anzurufen ist, bleibt die sachliche und örtliche Zuständigkeit innerhalb Belgiens zu klären. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit richtet sich nach Art. 556 ff. CJ.

Für die sachliche Zuständigkeit sind Art und Wert der streitigen Forderung maßgebend. Das Gericht der ersten Instanz (Tribunal de première instance / Rechtbank van eerste aanleg) besitzt nach Art. 568 ff. CJ eine umfassende Zuständigkeit für sämtliche Streitigkeiten, die nicht dem Friedensgericht (Juge de paix / Vrederechter) oder unmittelbar dem Berufungs- (Cour d'appel / Hof van beroep) oder Revisionsgericht (Cour de cassation / Hof van Cassatie) zugewiesen sind. Die Friedensgerichte sind gem. Art. 590 ff. CJ zuständig für Streitigkeiten bis 1860 € sowie beispielsweise bei Familien-, Unterhalts- oder Mietstreitigkeiten. Neben dem Tribunal de première instance steht als Eingangsinstanz auf gleicher Ebene ein eigenständiges Handelsgericht (Art. 573 ff. CJ, Tribunal de commerce / Rechtbank van koophandel). Die Zuständigkeit der Handelsgerichte umfasst zum Beispiel die Streitigkeiten zwischen Kaufleuten um Angelegenheiten, die in Belgien als Handelssachen angesehen werden, wenn die Klage nicht vor dem Friedensrichter einzureichen ist. Zusätzlich existiert ein Arbeitsgericht (Art. 578 ff. CJ) und ein Polizeigericht (Art. 601bis f. CJ).

Die örtliche Zuständigkeit eines belgischen Gerichts richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Schuldners oder der Niederlassung einer juristischen Person als Schuldner (Art. 624 CJ). Der Kläger kann sich wahlweise aber auch zum Beispiel für den Ort entscheiden, an dem die Verbindlichkeiten entstanden sind oder zu erfüllen sind. Die Parteien können vor Beginn der Austragung eines Rechtsstreits einen Zuständigkeits- vertrag schließen, wodurch ein gegebenenfalls entstehender Rechtsstreit ausschließlich vor bestimmten erstinstanzlichen Gerichten ausgetragen werden kann. Der Code Judiciaire sieht zusätzlich bestimmte ausschließliche örtliche Zuständigkeiten in Art. 627 ff. vor, zum Beispiel in Scheidungsverfahren. In diesen Fällen kann keine Zuständigkeitsvereinbarung getroffen werden und der Kläger hat keine Wahlmöglichkeit.

2. Verfahrensablauf

Das gerichtliche Verfahren wird durch die Klageerhebung beim zuständigen Gericht eingeleitet. Das belgische Recht sieht mehrere Arten der Klageerhebung vor: In der Regel wird das zuständige Gericht durch Zustellung einer Ladung durch den Urkundsbeamten angerufen (Art. 700 CJ). Das freiwillige Erscheinen, die kontradiktorische Klageschrift und die einseitige Klageschrift als weitere Möglichkeiten sind Ausnahmen von dieser Art der Klageerhebung und nur in den gesetzlich bestimmten Fällen anzuwenden.

Die Ladung muss nach Art. 702 CJ folgende Angaben enthalten: Name und Wohnsitz des Klägers, Name und Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Vorgeladenen, Streitgegenstand und kurze Zusammenfassung der Klagegründe, den mit der Klage befassten Richter und den Termin der Gerichtssitzung.

Die reguläre Ladungsfrist beträgt gem. Art. 707 CJ eine Woche. In dringenden Fällen kann der Richter auf Antrag des Rechtsanwalts oder des Urkundsbeamten die Frist verkürzen. Ein ohne fristgemäße Vorladung begonnenes Verfahren ist gemäß Art. 710 CJ nichtig.

Der Ablauf der mündlichen Verhandlung sowie das zweitinstanzliche Verfahren gleichen dem Verfahren in Deutschland. Auch in Belgien gibt es die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich sowie eines Versäumnisurteils bei Nichterscheinen des Beklagten. Gegen erstinstanzliche Urteile ist beiden Parteien innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils an die unterlegene Partei die Berufung möglich.

Grundsätzlich hat die Partei eines Rechtsstreits persönlich zu erscheinen oder muss sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, Art. 728 CJ. Bei Verfahren vor dem Friedensrichter, dem Handelsgericht und Arbeitsgerichten kann sich die Partei auch durch ihren Ehegatten, einen Elternteil oder einen Verwandten (beim Arbeitsgericht auch durch eine Arbeitnehmerorganisation) vertreten lassen, wenn diese Vertretung vom Richter zugelassen wurde, Art. 728 Abs. 2 CJ.

Weitere Informationen zur gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen in Belgien erhalten Sie beim Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen der Europäischen Kommission

3. Grundsätze der Kostentragung

Bei der gerichtlichen Durchsetzung einer Forderung entstehen Gerichts- und Anwalts- kosten.

Die Gerichtskosten (Dépens / Kosten) werden in Verfahren vor belgischen Gerichten im Urteil grundsätzlich der unterliegenden Partei auferlegt, Artikel 1017 CJ. Bei Gerichts- kosten handelt es sich um alle bei Gericht anfallenden Kosten, wie zum Beispiel Stempel-, Kanzlei- und Registrierkosten oder Zeugen- und Sachverständigengebühren.

Eine Regelung zur Tragung der Rechtsanwaltskosten enthält das belgische Prozessrecht nicht. Daher muss jede Partei ihren Rechtsanwalt grundsätzlich selbst zahlen. Seit 20085 kann ein Richter die unterliegende Prozesspartei auch dazu verurteilen, die Rechtsanwaltskosten des Obsiegenden in Form einer pauschalen Verfahrensentschädigung zu tragen. Da es in Belgien keine Gebührenordnung für Anwälte gibt, wird das Anwaltshonorar, innerhalb der Grenzen einer angemessenen Zurückhaltung, frei vereinbart. Die Höhe richtet sich unter anderem nach dem Arbeitsaufwand, dem Streitwert, der finanziellen Situation des Mandanten sowie dem Ruf des beauftragten Anwalts. Anwaltskammern oder Gerichte können die Honorare kontrollieren. Es empfiehlt sich, das Anwaltshonorar im Voraus zu vereinbaren. Die Rechtsanwaltskammern haben unverbindliche Regeln bezüglich der Mindestsätze aufgestellt und bieten Musterverträge für Honorarvereinbarungen an. Erfolgshonorare sind in Belgien verboten. Nähere Informationen zu den Kosten eines Rechtsbeistandes sowie entsprechende Musterverträge erhalten Sie

  • auf der Internetseite der
  • auf der Internetseite der

4. Prozesskostenhilfe und entgeltlicher Rechtsbeistand

Für denjenigen, der nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, seine Forderungen gerichtlich mit Hilfe eines Rechtsanwaltes geltend zu machen, gibt es in Belgien die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe sowie eines unentgeltlichen Rechtsbeistands (Pro Deo-Anwalt).

Die Prozesskostenhilfe (Assistance judiciaire / Rechtsbijstand, Art. 664 ff. CJ) bezieht sich auf die Gerichtskosten: Wenn der Gläubiger nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die Gerichtskosten selbst tragen zu können, kann er unter bestimmten Umständen Prozesskostenhilfe erhalten. Dazu muss er oder sein Rechtsanwalt sich an die Prozess- kostenhilfestelle des zuständigen Gerichts (Bureau d’aide juridique / Bureau voor Rechtsbijstand) wenden. Je nach dem Grad seiner Kostentragungsfähigkeit, kann der Antragsteller ganz oder teilweise von der Zahlung der Gerichtskosten befreit werden.

Darüber hinaus kann unter Umständen ein ganz oder teilweise unentgeltlicher Rechts- beistand (Aide juridique / Juridische bijstand, Artikel 446bis und 508/1 ff. CJ) in Anspruch genommen werden. Der unentgeltliche Rechtsbeistand gliedert sich in den allgemeinen und den erweiterten Rechtsbeistand.

Beim allgemeinen Rechtsbeistand (Aide juridique de première ligne / Juridische eerstelijnsbijstand) handelt sich um eine Beratungshilfe durch eine erste Rechtsberatung in kurzen Gesprächen. Dieser unentgeltliche Rechtsbeistand wird jedermann gewährt. Die Bereitschaftszeiten dieses ersten allgemeinen Rechtsbeistands werden durch die Ausschüsse für den unentgeltlichen Rechtsbeistand (Commissions d’aide juridique / Commissies voor Juridische Bijstand) organisiert.

Eine erweiterte Beratungshilfe (Aide juridique de deuxième ligne / Juridische tweedelijnsbijstand) wird in Form von eingehenden Beratungen bis hin zur Stellung eines Rechtsbeistandes in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren gewährt. Diese Hilfe erfolgt je nach Einkommenssituation ganz oder teilweise kostenlos. Für den erweiterten Rechtsbeistand sind die Büros für unentgeltlichen Rechtsbeistand (Bureaux d’aide juridique / Bureaus voor Juridische Bijstand) zuständig.

Bei der Vermittlung eines ganz oder teilweise unentgeltlichen allgemeinen und erweiterten Rechtsbeistandes sind die Rechtsanwaltskammern behilflich:

Die Kammern geben auch Auskunft über die jeweils geltenden Voraussetzungen (insbesondere die zulässige Einkommenshöhe) für einen Antrag auf Rechtsbeistand. Die Kammern geben darüber hinaus Auskunft über die von einigen Rechtsanwälten angebotene Möglichkeit einer halbstündigen Erstberatung für 25 €. Informationen erhalten Sie auch auf der Internetseite www.aidejuridiquebruxelles.be.

Prozesskostenhilfe sowie allgemeiner und erweiterter Rechtsbeistand stehen aufgrund der Richtlinie 2002/8/EG6 Angehörigen aller Mitgliedsstaaten der EU bei grenzüberschreitenden Streitsachen zu. Insofern können auch Antragsteller mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten in Belgien die Hilfen in Anspruch nehmen.

5. Einstweilige Maßnahmen

In besonders dringenden Fällen kann zur Sicherung eigener Ansprüche die Durchführung von einstweiligen Maßnahmen bereits vor Erhalt eines Urteils notwendig sein. Hierfür stehen in Belgien vor allem die Sicherungspfändung (Saisie conservatoire / Bewarend beslag) und in Ausnahmefällen die anschließende Zwangsverwahrung oder Zwangsverwaltung (Sequestre / Sekwester) zur Verfügung.

Die in den Artikeln 1413 ff. CJ normierte Sicherungspfändung kann grundsätzlich bezüglich einer Vielzahl von beweglichen und unbeweglichen, aber auch immateriellen, Gütern des Schuldners vom Gericht angeordnet werden. Der Schuldner kann dadurch nicht mehr über die zur Sicherung gepfändeten Vermögensgegenstände verfügen; er kann sie nicht mehr veräußern, verschenken oder verpfänden. Auch Gehalt kann - unter Beachtung belgischer Pfändungsfreigrenzen, Art. 1409 CJ - sicherungsgepfändet werden. Ein einseitiger Antrag auf Sicherungspfändung wird von einem Rechtsanwalt beim für den Pfändungsbeschluss zuständigen belgischen Vollstreckungsgericht eingereicht. Das Gericht hat grundsätzlich innerhalb von acht Tagen über einen Antrag auf Sicherungspfändung zu entscheiden (Artikel 1418 CJ).

Ist zu befürchten, dass die bloße Sicherungspfändung nicht ausreicht, so kann in Ausnahmefällen nach Artikel 1955 ff. CJ auch eine Zwangsverwahrung oder Zwangsverwaltung an beweglichen oder unbeweglichen Sachen angeordnet werden.

Weitere Informationen zu einstweiligen Maßnahmen in Belgien erhalten Sie beim Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen der Europäischen Kommission unter www.ec.europa.eu/civiljustice.

D. Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen in Zivil- und Handelssachen

Seit 20077 gibt es ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen in Zivil- und Handelssachen, deren Streitwert unter 2000 Euro liegt. Die Verordnung findet in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – mit Ausnahme von Dänemark – unmittelbare Anwendung.

Es handelt sich beim Verfahren für geringfügige Forderungen um ein schriftliches Verfahren, es sei denn, das Gericht hält eine Anhörung für erforderlich. Das Verfahren wird mit Hilfe von Formblättern durchgeführt. Zuständig für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sind in Belgien die jeweils sachlich und örtlich zuständigen Friedensrichter, das Gericht erster Instanz oder das Handelsgericht (zur Zuständigkeit siehe oben). Der Kläger leitet das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ein, indem er das Klageformblatt A (Anlage I zur Verordnung) ausgefüllt direkt beim zuständigen Gericht einreicht oder diesem per Einschreiben auf dem Postweg übersendet. Das Gericht stellt dem Beklagten eine Kopie des Klageformblattes sowie ein Antwortformblatt zu. Innerhalb von 30 Tagen, nachdem die Antworten des Beklagten oder eventuelle Nachträge des Klägers eingegangen sind, erlässt das Gericht ein Urteil, sofern keine weiteren Maßnahmen (mündl. Verhandlung, Beweisaufnahme) erforderlich sind.

Die Formblätter sind im Internetangebot der Europäischen Kommission abrufbar unter: www.ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil. Dort erhalten Sie auch weitere Informationen zum Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in Zivil- und Handelssachen.

E. Europäisches Mahnverfahren

Seit 2008 gibt es außerdem die Möglichkeit der Einziehung unbestrittener Forderungen mit Hilfe des Europäischen Mahnverfahrens8. Das Europäische Mahnverfahren ist in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen für bezifferte und fällige Geldforderungen anwendbar. Nach der Verordnung ist der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls unter Verwendung des Formblatts A (Anhang I zur Verordnung) beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht zu stellen (zur Zuständigkeit siehe oben). Das mit einem Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls befasste Gericht prüft so bald wie möglich anhand des Antragsformulars, ob die in der Verordnung genannten Voraussetzungen erfüllt sind und ob die Forderung begründet erscheint. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so erlässt das Gericht in der Regel binnen 30 Tagen nach Einreichung des Antrags einen Europäischen Zahlungsbefehl. Sofern der Schuldner binnen 30 Tagen nach Zustellung Einspruch gegen den Zahlungsbefehl einlegt, wird das Verfahren grundsätzlich vor dem zuständigen Gericht nach den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt. Ansonsten erklärt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl unverzüglich für vollstreckbar.

Die Formblätter sind im Internetangebot der Europäischen Kommission abrufbar unter: www.ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil. Dort erhalten Sie auch weitere Informationen zum Europäischen Mahnverfahren.

F. Vollstreckung deutscher gerichtlicher Entscheidungen

Zur Vollstreckung deutscher gerichtlicher Entscheidungen sowie zur Vollstreckung unbestrittener bereits titulierter Forderungen mit Europäischem Vollstreckungstitel verweist die Botschaft auf ihr diesbezügliches “Merkblatt Vollstreckung

G. Geltendmachung von Unterhaltsforderungen

Zur Vorgehensweise in Unterhaltsangelegenheiten verweist die Botschaft auf ihr diesbezügliches „Merkblatt Unterhaltsforderungen“

Alle vorstehenden Angaben beruhen auf Erkenntnissen und Erfahrungen der Botschaft zum Zeitpunkt ihrer Abfassung. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen, kann keine Gewähr übernommen werden.
Diese Angaben können eine Rechtsberatung nicht ersetzen.

Stand: 11/2018


1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Abl. EG 2001 L 12 S. 1.

2 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entschei- dungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968, .BGBl. 1972 II S. 774.

3 Luganer-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. 09. 1988, BGBl 1994 II S. 2658.

4 vgl. Art. 69 EuGVO und Präambel Nr. 21 und Rn. 1a, sowie das Abkommen zwischen Dänemark und der EG aus dem Jahre 2005, Abl. EG 2005 L 299 S. 61.

5 Gesetz über die Einforderbarkeit von Rechtsanwaltshonoraren und -kosten vom 21.04.2007 (loi relative à la répétibilité des honoraires et des frais d’avocat).

6 Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27.01.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, Abl. EG 2003 L 26 S. 41.

7 Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, Abl. EG 2007 L 199 S. 1-22.

8 Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, Abl. EG 2006 L 399 S. 1-32.






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