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Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Belgien

Artikel

Die nachstehenden Ausführungen betreffen sowohl offene, noch nicht titulierte, als auch in Deutschland bereits titulierte Unterhaltsforderungen dort lebender Unterhaltsberechtigter, bei denen der Verpflichtete seinen Wohnsitz in Belgien hat. Die Ausführungen sollen einen Überblick über die Möglichkeiten der Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Belgien bieten. Diese Informationen können eine Rechtsberatung nicht ersetzen.

Diese Informationen stellen eine Ergänzung der Seiten „Rechtsberatung und -verfolgung“ sowie „Vollstreckung deutscher gerichtlicher Entscheidungen“ dar.

A. Allgemeine Informationen

Um eine effektive Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsforderungen in grenzüberschreitenden Konstellationen zu ermöglichen, haben der europäische und der deutsche Gesetzgeber zahlreiche Erleichterungen im Vergleich zur Geltendmachung und Durchsetzung sonstiger Forderungen vorgesehen. Insbesondere die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen mit Hilfe der Zentralen Behörden (näheres siehe unten) stellt eine einfache und wirkungsvolle Möglichkeit für den Unterhaltsberechtigten und damit eine maßgebliche Erleichterung bei der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs dar.´

1. Inanspruchnahme der deutschen Botschaft

Die Deutsche Botschaft in Brüssel kann für Privatpersonen bei der Geltendmachung von Forderungen nicht, auch nicht in Einzelfällen, tätig werden. Der Botschaft stehen keinerlei Zwangsmittel zur Verfügung. Deutsche Auslandsvertretungen können nicht anwaltlich tätig werden.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Deutsche Botschaft in Brüssel durch deutsche Behörden in Unterhaltsangelegenheiten in Anspruch genommen werden. Dies gilt insbesondere, wenn Informationen aus Pass- oder Visaakten oder die Einleitung passbeschränkender Maßnahmen erforderlich sind.

2. Vertretung durch einen Rechtsanwalt

Zur Geltendmachung einer Unterhaltsforderunge mit Hilfe der Zentralen Behörden (siehe unten) ist kein Rechtsanwalt nötig.

Um eine bestmögliche Interessenvertretung bei einer gerichtlichen Geltendmachung der Unterhaltsforderungen zu erreichen, empfiehlt sich in jedem Falle die Einschaltung eines deutschen oder belgischen Rechtsanwaltes (bei Anrufung eines Gericht in Belgien, insbesondere für juristische Laien und in Bezug auf die erforderlichen Sprach- kenntnisse). Bezüglich einer anwaltlichen Vertretung und einer eingehenderen Rechts- beratung verweist die Botschaft auf ihre unverbindliche Liste von deutschsprachigen Rechtsanwälten in Belgien, welche auf der Internetseite bereitgestellt wird (www.bruessel.diplo.de).

Weitere Informationen, auch über die Kosten eines belgischen Rechtsbeistandes, erhalten Sie

  • auf der Internetseite der
  • auf der Internetseite der

3. Aufenthaltsermittlung

Bei der Geltendmachung einer Unterhaltsforderung mit Hilfe der Zentralen Behörden (siehe unten) können diese auch den Aufenthaltsort des Unterhaltsverpflichteten in Belgien ermitteln, wenn dieser dem Unterhaltsberechtigten unbekannt ist.

Sollte die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Unterhaltsschuldners in Belgien im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung ohne Inanspruchnahme der Zentralen Behörden erforderlich sein, kann die Einholung einer Melderegisterauskunft notwendig sein. In Belgien besteht ein zentrales Melderegister für natürliche Personen (Nationalregister / Registre National / Rijksregister). Der Zugriff auf die dort gespeicherten Daten ist jedoch beschränkt und nur für öffentlich-rechtliche Institutionen bzw. von diesen beauftragte möglich. Eine Ermittlung des Aufenthaltsortes über das Melderegister kann daher nur mit Hilfe eines Rechtsanwaltes über die jeweilige Anwaltskammer oder über einen Gerichtsvollzieher erfolgen. Weitere Informationen über die Einholung von Melderegisterauskünften erhalten Sie auf der Internetseite der Generaldirektion Institutionen und Bevölkerung Überdies gibt es die Möglichkeit, gewerbliche Anbieter mit der Adressermittlung zu beauftragen.

B. Gesetzliche Grundlagen zur Geltendmachung und Vollstreckung von Unterhaltsforderungen

1. Haager Protokoll vom 23.11.2007

Das Haager Protokoll vom 23.11.20071 bestimmt das auf Unterhaltspflichten anwandbare Recht. Aufgrund des Ratsbeschlusses vom 30. November 20092 ist es ab dem 18.06.2011 innerhalb der Europäischen Union vorläufig anwendbar. Es ersetzt gem. Art. 18 im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten das Haager Übereinkommen vom 02.10.19733 sowie das Haager Übereinkommen vom 24.10.19564.

2. EuUntVO

Mit der seit dem 18.06.2011 geltenden EuUntVO5 hat der europäische Gesetzgeber ein eigenständiges Rechtsinstrument für das internationale Verfahrensrecht in Unterhaltssachen geschaffen. Die EuUntVO regelt die Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen. Die EuUntVO ersetzt die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen der EuGVO6 sowie der EuVTVO7 (Art. 68 EuUntVO). Die Anwendbarkeit von Übereinkommen sowie bila- teraler oder multilateraler Vereinbarungen wird nicht berührt, allerdings hat die EuUntVO in ihrem Anwendungsbereich im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten Vorrang (Art. 69 Abs. 1, 2 EuUntVO).

3. UN-Übereinkommen vom 20.06.1956

Das UN-Übereinkommen vom 20.06.19568 findet gem. Art. Art. 69 Abs. 2 EuUntVO zwischen den Mitgliedstaten die EuUntVO grundsätzlich keine Anwendung mehr, vielmehr ist die EuUntVO vorrangig anzuwenden. Übergangsbestimmungen zur Anwendbarkeit enthält Art. 75 EuUntVO.

C. Geltendmachung von Unterhaltsforderungen – Erkenntnis- verfahren

Die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen kann grundsätzlich auf zwei verschie- denen Wegen erfolgen: zum einen kann ein Antrag auf Unterstützung in Unterhaltsangelegenheiten nach Art. 56 EuUntVO über die Zentrale Behörde gestellt werden, zum anderen besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung durch den Unterhaltsberechtigen.

1. Geltendmachung mit Hilfe der Zentralen Behörden

Wie bereits zuvor nach dem UN-Übereinkommen vom 20.06.1956 sieht auch die EuUntVO in Art. 49 ff. die Durchsetzung von Unterhaltsforderungen mit Hilfe der Zentralen Behörden vor. Das Verfahren nach der EuUntVO in Deutschland ist durch das AuslandsunterhaltsG9 ausgestaltet worden. Die EuUntVO soll Unterhaltsberechtigten die Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruchs im Ausland erleichtern. Es muss kein Rechtsanwalt eingeschaltet werden. Auch werden für das Verfahren grundsätzlich keine Gebühren erhoben (zur Prozesskostenhilfe siehe unten).

Der Unterhaltsberechtigte kann nach Art. 56 EuUntVO einen Antrag auf Unterstützung in Unterhaltssachen stellen. Der Antrag ist mit Hilfe des „Formblattes für einen Antrag im Hinblick auf die Herbeiführung oder die Änderung einer Entscheidung in Unterhalts- sachen“ (Anhang VII der Verordnung) beim zuständigen Amtsgericht zu stellen. Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständig ist, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn also der Antragsteller beispielsweise in Kiel wohnt, dann ist das Amtsgericht Schleswig zuständig, da Kiel zum Oberlandesgerichtsbezirk Schleswig gehört und das OLG seinen Sitz in Schleswig hat. Der Antrag kann auf die Herbeiführung einer Entscheidung oder auf Änderung einer bereits ergangenen Entscheidung gerichtet werden.

Das Amtsgericht nimmt eine Vorprüfung vor, in der geprüft wird, ob der Antrag hinrei- chende Aussicht auf Erfolg hat bzw. mutwillig oder offensichtlich unbegründet ist. Liegen keine Ablehnungsgründe vor, übersendet das Gericht den Antrag an das Bundes- amt für Justiz, das als zentrale Behörde in Deutschland fungiert (§ 4 AUG). Die zentrale Behörde unternimmt alle geeigneten Schritte, um den Unterhaltsanspruch des Berech- tigten durchzusetzen, wobei die Interessen und der Wille des Berechtigten zu beachten ist. Das Bundesamt für Justiz ist bevollmächtigt, im Namen des Antragstellers außer- gerichtlich oder gerichtlich tätig zu werden sowie den Unterhaltsanspruch im Wege eines Vergleichs oder eines Anerkenntnisses zu regeln. Dazu leitet die zentrale Behörde den Antrag an die zuständige Zentrale Behörde im Ausland weiter und überwacht die ordnungsgemäße Erledigung des Ersuchens.

Weitere Informationen über das Verfahren erhalten Sie auf der Internetseite des Bundes- amtes für Justiz unter www.bundesjustizamt.de.


2. Gerechtliche Geltendmachung

Die Regelungen über die internationale Zuständigkeit weichen in der EuUntVO gering- fügig von den entsprechenden Vorschriften in der EuGVO ab. International zuständig ist nach Art. 3 EuUntVO grundsätzlich das Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsverpflichteten oder des Unterhaltsberechtigten. Hat also der Unterhalts- berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, der Unterhaltsverpflichtete aber in Belgien, so kann der Berechtigte zur Geltendmachung seiner Unterhaltsforderungen dennoch ein Gericht in Deutschland anrufen. Sofern es nicht um Unterhalt für ein minderjähriges Kind geht, können die Parteien auch eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit in Deutschland richtet sich nach dem entsprechenden Vorschriften des FamFG und des GVG.

Für das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht verweist Art 15 EuUntVO auf das Haager Protokoll vom 23.11.2007. Das anzuwendende Recht entscheidet u.a. über Voraussetzungen und Umfang eines Unterhaltsanspruchs, eine rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt oder über Verjährung und Klagefristen. Nach Art. 3 des Haager Protokolls ist grundsätzlich das Recht des Staates maßgeblich, in welchem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Unterhalt hat. Danach ist grundsätzlich deutsches Unterhaltsrecht anzuwenden, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Dies gilt auch, wenn der Unterhaltsverpflichtete möglicherweise bereits Klage an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Mitgliedsstaat erhoben hat. Besondere Regelungen bezüglich bestimmter Personengruppen enthalten die Art. 4 f. des Haager Protokolls.

Sofern also der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundes- republik Deutschland hat, kann der Unterhaltsanspruch in einem Unterhaltsprozess beim jeweils zuständigen deutschen Gericht geltend gemacht werden.

D. Vollstreckung bereits titulierter Forderungen

Erfüllt ein Schuldner die sich aus einem Gerichtsurteil ergebenden Verpflichtungen nicht freiwillig, so kann der Gläubiger mit Hilfe der Zwangsvollstreckung deren Erfüllung durchsetzen. Da die Vollstreckung mit einem Eingriff in die persönliche Rechtssphäre des Schuldners verbunden ist, wird zur Zwangsvollstreckung ein vollstreckbarer Titel benötigt, dies ist in der Regel ein Gerichtsurteil. Da die Rechtskraft eines Titels auf den Staat beschränkt ist, in dem sie erlassen wurden, bedarf es für die grenzüberschreitende Vollstreckung grundsätzlich eines besonderen Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens.

Im Bereich von gerichtlichen Entscheidungen über Unterhaltspflichten enthält die EuUntVO eine Erleichterung im Vergleich zur grenzüberschreitenden Vollstreckung sonstiger Forderungen. Entscheidungen über Unterhaltspflichten können unter bestimmten Umständen ohne Vollstreckbarerklärung („Exequaturverfahren“) auch in anderen Mitgliedstaaten vollstreckt werden. Voraussetzung ist, dass der EU- Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung ergangen ist, durch das Haager Protokoll vom 23.11.2007 gebunden ist. Dies trifft für alle Mitgliedstaaten außer Dänemark und das Vereinigte Königreich zu. Eine in Deutschland ergangene Entscheidung über Unterhaltspflichten kann daher in Belgien ohne weitere Zwischenschritte unmittelbar vollstreckt werden. Vollstreckungsgrundlage ist der inländische Titel selbst.

Die Vollstreckung einer deutschen gerichtlichen Entscheidung in Unterhaltsange- legenheiten in Belgien richtet sich nach belgischem Recht. Der Antragsteller hat den belgischen Vollstreckungsbehörden eine amtliche Ausfertigung der zu vollstreckenden Entscheidung sowie eine Bescheinigung des erkennenden deutschen Gerichts unter Verwendung eines Formblattes (Anhang I zur Verordnung) vorzulegen (Art 20 EuUntVO). Eine Übersetzung der zu vollstreckenden Entscheidung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Gegebenenfalls ist eine Übersetzung der Bescheinigung/des Form- blattes in die Verfahrenssprache am Ort der Vollstreckung (Französisch oder Nieder- ländisch) erforderlich. Die Vollstreckung selbst nimmt ein belgischer Gerichtsvollzieher vor.

Wegen des belgischen Vollstreckungsverfahrens sowie näherer Informationen zu belgischen Gerichtsvollziehern verweist die Deutsche Botschaft auf die entsprechenden Ausführungen auf der Seite „Vollstreckung deutscher gerichtlicher Entscheidungen“

Die Vorschriften der EuUntVO über die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen über Unterhaltsforderungen gelten auch für Vergleiche oder öffentliche Urkunden in Unterhaltsangelegenheiten (Art. 48 EuUntVO. Auch diese können ohne Exequatur- Verfahren in Belgien vollstreckt werden. Erforderlich ist auch hierfür eine Beschei- nigung der zuständigen Behörde des Ursprungsstaates unter Verwendung eines Formblattes (Anhang I, II, III oder IV des Verordnung).

E. Prozesskostenhilfe

1. Gerichtliche Geltendmachung

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung eines Unterhalts- anspruchs vor einem deutschen Gericht richtet sich nach §§ 114 ff. ZPO. Bezüglich der Möglichkeiten der Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs vor einem belgischen Gericht verweist die Botschaft auf die entsprechenden Ausführungen auf der Seite „Rechtsberatung und -verfolgung“

2. Geltendmachung mit Hilfe der Zentralen Behörden

Für Anträge auf Unterstützung in Unterhaltsangelegenheiten über die Zentralen Behörden nach Art. 56 EuUntVO enthält ein Unterhaltsberechtigter, der das 21. Lebens- jahr noch nicht vollendet hat, Prozesskostenhilfe vom ersuchten Mitgliedstaat (Art. 46 EuUntVO). Dies gilt unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antrag- stellers. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann abgelehnt werden, wenn der Antrag mutwillig oder offensichtlich unbegründet ist.

Die von den zentralen Behörden nach der EuUntVO erbrachten Dienstleistungen selbst sind gebührenfrei.

Sollte über diese Maßnahmen hinaus die Anrufung eines Gerichts in Deutschland oder Belgien erforderlich werden, besteht die Möglichkeit nach dem jeweils geltenden Recht Prozesskostenhilfe zu bekommen (siehe oben).

3. Vollstreckung bereits titulierter Forderungen

Im Rahmen der Vollstreckung bereits titulierter Forderungen in Belgien besteht ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe, soweit der Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat Prozesskostenhilfe beanspruchen durfte (Art. 47 EuUntVO). Das Verfahren zur Gewäh- rung der Prozesskostenhilfe richtet sich dann nach belgischem Recht. Hierzu verweist die Botschaft auf die entsprechenden Ausführungen auf der Seite „Rechtsberatung und -verfolgung“


Alle vorstehenden Angaben dieses Merkblattes beruhen auf Erkenntnissen und Erfahrungen der Botschaft zum Zeitpunkt der Abfassung des Merkblatts. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen, kann keine Gewähr übernommen werden. Diese Informationen können eine Rechtsberatung nicht ersetzen.






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